LexMea: Bildschirm statt Ziegelstein
A. Digitale Revolution im Jurastudium
Schwere Taschen voller Gesetzestexte, überfüllte Hörsaaltische und stundenlanges Nachsortieren – all das gehört für Jurastudierende zum Alltag. Doch dieses Ärgernis könnte bald der Vergangenheit angehören, denn es gibt bereits eine digitale Alternative. Die Brüder Michael und Tobias Strecker haben mit LexMea ein Legal-Tech-Tool entwickelt, das genau diese Probleme lösen soll.Â
Die sowohl als Internetseite als auch als Progressive Web-App (PWA) verfügbare Freeware stellt Nutzern alle examensrelevanten Gesetzestexte des Bundes- und Europarechts zur Verfügung. Dabei ist es nicht nur möglich, die Gesetzestexte abzurufen, sondern diese auch mit individuellen Anmerkungen zu versehen. Diese Anmerkungen können zum einen, die aus den herkömmlichen Gesetzesbüchern bekannten Normverweise oder Unterstreichungen, zum anderen auch inhaltliche Notizen wie Schemata, Definitionen und Streitstände sein. Diese Anmerkungen werden gespeichert und können dann durch kleine Symbole im Gesetzestext abgerufen werden.
B. Erfahrungsbericht
Nachdem die Gründer von LexMea auf unserer Veranstaltung „Die Zukunft des Jurastudiums?“ am 23.01.2025 ihre digitale Gesetzesplattform vorgestellt hatten, wurden wir neugierig. Wir wollten wissen, ob digitale Gesetzestexte tatsächlich eine Alternative zu den herkömmlichen analogen Büchern darstellen können. Daher hat das Team Education in den vergangenen Wochen seine Gesetzesbücher zu Hause gelassen und die Plattform für euch getestet. Im Folgenden möchten wir unsere Erfahrungen und Gedanken mit euch teilen:
Zunächst lässt sich festhalten, dass die ständige Verfügbarkeit einen echten Mehrwert darstellt. LexMea ermöglicht es, jederzeit und überall – ob in der Vorlesung, beim Lernen in der Bibliothek oder auf der Heimfahrt im ICE – schnell auf das eigene, personalisierte Gesetzbuch zuzugreifen und neues Wissen direkt im Gesetzestext zu speichern. Das mühsame Mitschleppen des schweren Gesetzbuches entfällt.
Besonders gelungen sind die oben beschriebenen Möglichkeiten, sein Gesetz mit Anmerkungen zu versehen. Unterstreichungen und Markierungen funktionieren intuitiv. Normverweise lassen sich mit wenigen Klicks setzen und das direkte Springen zu einer verwiesenen Norm ist eine erhebliche Erleichterung. Wünschenswert wäre noch die Möglichkeit, direkt auf die im Gesetzestext selbst genannten Normen springen zu können.
Ein weiterer erheblicher Vorteil ist die tägliche Aktualisierung der Gesetzestexte. Zwar war dieser Aspekt in unserer kurzen Testphase noch nicht spürbar, doch auf lange Sicht spart man Geld für Ergänzungslieferungen oder neue Gesetzesbücher und ist stets auf dem neuesten Stand – ohne das Risiko von Fehlern beim Einsortieren von Änderungen.
Wünschenswert wäre die Möglichkeit selbst einstellen zu können, ob man bestimmte Funktionen – wie das Fenster in dem Notizen erscheinen oder die Anmerkungs-Tools angezeigt bekommen – haben möchte oder nicht. Denn manchmal hat man das Gefühl, dass zwischen den zahlreichen Funktionen und Informationen um den Gesetzestext herum dieser ein wenig ,,untergeht‘‘ oder ihm zumindest nicht die visuelle Bedeutung zukommt, die ihm in einem Gesetzbuch zukommen sollte.Â
Das Team von LexMea hat dieses Problem erkannt und arbeitet aktuell an einem „Klausurmodus“, bei dem nur der Gesetzestext und zulässige Anmerkungen angezeigt werden. Für uns wäre dies jedoch nicht nur für Klausuren, sondern auch als standardmäßiger Lernmodus eine sinnvolle Ergänzung.
Ein weiteres Manko ist das Fehlen landesrechtlicher Vorschriften. Dadurch ist LexMea für das Öffentliche Recht bislang nicht nutzbar. Laut den Entwicklern wird jedoch bereits daran gearbeitet, die landesrechtlichen Vorschriften zeitnah zu integrieren.
Ein grundsätzlicher Nachteil bleibt jedoch bestehen, auf den LexMea selbst keinen Einfluss hat: Solange es nicht erlaubt ist, das Staatsexamen mit digitalen Gesetzesbüchern zu schreiben, sind Studierende gezwungen, mit analogen Büchern zu arbeiten. Andernfalls besteht die Gefahr, sich an die hilfreichen Funktionen von LexMea zu gewöhnen und im Examen Schwierigkeiten bei der Umstellung zu haben. Derzeit sieht die „Hilfsmittelbekanntmachung EJS“ des LJPAs als zulässige Hilfsmittel nur die traditionellen „Ziegelsteine“ vor.
C. Ausblick
Glücklicherweise sind die JAPO und die Hilfsmittelbekanntmachung des LJPAs nicht in (Ziegel-)Stein gemeißelt. Auf einer Veranstaltung der Münchener Juristischen Gesellschaft am vergangenen Dienstag (4.2) sprach Ministerialdirigentin Christine Freifrau von Massenbach unter anderem über das E-Examen. Sie erwähnte dabei, dass „perspektivisch“ auch digitale Hilfsmittel im Examen zugelassen werden könnten. Auf unsere Nachfrage hin konnte sie zwar nicht genau definieren, was mit „perspektivisch“ gemeint ist, betonte jedoch ihre grundsätzliche Offenheit für digitale Gesetzbücher im Staatsexamen. Sie nannte LexMea dabei explizit als möglichen Anbieter und Partner für ein solches Vorhaben. Diese Aussagen machen Hoffnung auf eine baldige Veränderung.
Allerdings konnte Frau von Massenbach nicht ausschließen, dass im Zuge einer solchen Neuerung auch die Zulässigkeit von Unterstreichungen und Verweisungen aufgehoben wird – ähnlich wie es bereits in anderen Bundesländern geschehen ist. Genau wie von den LJPAs dieser Länder begründete Frau von Massenbach dies damit, dass sie Bedenken hinsichtlich der Benutzbarkeit und Kontrollierbarkeit von Anmerkungen in digitalen Gesetzbüchern habe.
Diese Bedenken erscheinen jedoch nicht überzeugend. Wie bereits beschrieben, funktionieren die Anmerkungen in LexMea nicht nur genauso gut wie in analogen Gesetzbüchern, sondern sogar besser. Dass es ausgerechnet bei digitalen Gesetzbüchern nicht möglich sei, die Anmerkungen auf Zulässigkeit zu prüfen, ist ein abwegiger Gedanke. Während bei gedruckten Gesetzestexten eine manuelle Überprüfung durch einen Aufseher erforderlich ist, könnten digitale Gesetzesbücher wie LexMea eine systemgestützte Prüfung ermöglichen, indem unzulässige oder zu viele Anmerkungen automatisch verhindert werden. Dies würde die Überprüfung nicht nur erleichtern, sondern auch lückenloser und objektiver gestalten.
In Bielefeld wurde LexMea bereits unter Prüfungsbedingungen getestet: Im Rahmen einer Probeklausur zum Zwangsvollstreckungsrecht durften Studierende LexMea anstelle eines analogen Gesetzbuches im Splitscreen neben ihrer ebenso digitalen Lösung verwenden. Eine anschließende Evaluation ergab, dass 81,2 % der Teilnehmenden angaben, dass LexMea das Auffinden und Nachschlagen von Normen erleichtert habe. Zudem gab es keine technischen Probleme, sodass dieser erste Test als voller Erfolg gewertet werden kann.
Mit dem E-Examen hat Bayern bereits einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung unternommen. Für eine moderne Juristenausbildung sind jedoch weitere wegweisende Entscheidungen erforderlich. Für uns steht fest: Die Zukunft gehört digitalen Gesetzesbüchern. Es ist an der Zeit, die Digitalisierung konsequent voranzutreiben, damit die juristische Ausbildung den Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht wird.
Wir bedanken uns herzlich bei LexMea und den Gründern Michael Strecker und Tobias Strecker für die tiefen Einblicke in ihre innovative Plattform. Ihre Arbeit zeigt eindrucksvoll, wie digitale Lösungen das Jurastudium revolutionieren können. Wir sind gespannt, welche Entwicklungen und Neuerungen uns in Zukunft noch erwarten!
Ãœber die Autoren
Leonhard Pflüger (leonhard.pflueger@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Finanzvorstand bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Wilm Häring (wilm.haering@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Co-Head of Education bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Ãœber die Redakteure
Luis Hettrich (luis.hettrich@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Chief Editor bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Albert Hans Möller (albert.moeller@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Vorstand bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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