„Wir haben jetzt endlich das Produkt entwickelt, was ich mir als Anwältin immer gewünscht hätte“, so Katja Nikolaus, Chief Business Development Officer bei JUNE. Dieser Satz bringt prägnant auf den Punkt, worum es bei Legal Tech geht: Probleme in der juristischen Arbeit lösen, Prozesse optimieren, Arbeitsschritte vereinfachen – und damit den Rechtsanwendern den Arbeitsalltag erleichtern.Â
Wie dies in der Praxis aussieht, durften unsere Mitglieder und Gäste bei einem Event mit unserer Partnerkanzlei Lutz | Abel (Lutz Abel) von Angelika Szalek, Senior Associate bei Lutz | Abel (Angelika Szalek), Tim Kniepkamp (Tim Kniepkamp), Co-Founder von Suitcase, Katja Nikolaus (Katja Nikolaus), CBDO bei June und Partnerin bei Frommer Legal, und Ludwig Nagel (Ludwig Nagel) von caralegal erfahren.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über verfügbare Tools, ihre Funktionsweise und ihre möglichen Einsatzbereiche.
JUNE
JUNE ist eine KI-gestützte Case Management & Automation Plattform für juristische und administrative Prozesse in Kanzleien, Unternehmen, Justiz und Verwaltung. Die Plattform unterstützt Juristinnen und Juristen, indem sie Workflows durch Automatisierung optimiert und repetitive Aufgaben im Arbeitsalltag übernimmt. Ziel von JUNE ist es, die manuelle Routinearbeit zu minimieren und den Fokus auf komplexere juristische Tätigkeiten zu lenken.
„Wir haben jetzt endlich das Produkt gebaut, was ich gerne als Anwältin gehabt hätte“, Katja Nikolaus, CBDO bei June.
Ein Beispiel hierfür ist der Eingang einer gerichtlichen Verfügung über das beA. Das Tool erfasst die Verfügung digital, ordnet sie anhand des Aktenzeichens einer bestehenden Akte zu und bereitet alle relevanten Daten auf. Dabei bereitet JUNE alle relevanten Daten auf, indem es etwa die Fristen für die Verteidigungsanzeige und die Klageerwiderung berechnet, und weist das so erfasste Dokument dem zuständigen Mitarbeiter oder der zuständigen Mitarbeiterin zu. Je nach Einsatzweise legt das Tool die gerichtliche Verfügung entweder vollautomatisch in der Akte ab oder bereitet die relevanten Daten als Vorschlag auf. In diesem Fall kann der zuständige Mitarbeiter oder die zuständige Mitarbeiterin die Daten prüfen und bei Bedarf anpassen, bevor das Dokument der digitalen Akte hinzugefügt wird. Für das Verfassen der Klageerwiderung bietet JUNE zudem eine inhaltliche Vorauswahl aus der Akte an. Dabei greift das Tool auf alle hinterlegten Akten zurück, sucht die für den konkreten Fall relevanten Informationen heraus und ermöglicht es, einzelne Absätze aus früheren Schreiben gezielt zu übernehmen.
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen können durch den Einsatz von Case Managements Tools ihre Stundenzahl in der einzelnen Fallbearbeitung verringern und dadurch ihre Dienstleistung kostengünstiger anbieten, was ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft. Gerade bei Massenverfahren sind solche Tools bereits unverzichtbar. Nicht zuletzt wird eine Automatisierung repetitiver Arbeitsschritte wegen des Nachwuchsmangels bald zunehmend zu einer unumgänglichen Notwendigkeit werden.
Suitcase
Der Nachwuchsmangel trifft die Richterschaft besonders hart. Der Deutsche Richterbund warnt seit Jahren vor einer drastischen Pensionierungswelle, insbesondere in den neuen Bundesländern. Schon jetzt stoßen viele Gerichte an ihre Kapazitätsgrenzen – die Verfahren sind oft langwierig, teuer und komplex.
„Klassische Gerichtsverfahren sind in 4 von 5 Fällen ungeeignet“, Tim Kniepkamp, Co-Founder von Suitcase.
Suitcase GmbH bietet eine kostengünstige und zeiteffiziente Alternative zu klassischen Gerichtsverfahren, indem es außergerichtliche Streitbeilegung über eine Online-Plattform ermöglicht. Dabei fungiert Suitcase gewissermaßen als Mediator. Das besondere an Suitcase: Die Streitparteien geben blinde Gebote ab – kennen also nicht den Einigungsvorschlag der jeweils anderen Partei. Die Angebote, z.B. wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Kündigung über die Höhe der Abfindung streiten, sind ehrlicher und liegen damit näher beieinander, was die Erfolgsquote erhöht. Suitcase wird vor allem von Rechtsanwaltskanzleien oder Rechtsschutzversicherungen genutzt. Diese weisen Mandanten oder Versicherte neben der Aussicht auf ein Gerichtsverfahren auch auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung hin.
Künftig sollen die Streitparteien die Möglichkeit erhalten, einen durch Künstliche Intelligenz – genauer gesagt: machine learning – generierten Streitwertvorschlag zu verwenden, dem eine statistische Auswertung bereits erfolgreich beigelegten Streitfällen zugrunde liegt. Hierzu beantragt das Unternehmen aktuell ein zweijähriges Forschungsprojekt gemeinsam mit dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Markus Lieberknecht, LL.M. (Harvard) von der Universität Osnabrück.
Caralegal
Caralegal ist eine Datenschutzmanagement-Software, die Unternehmen dabei unterstützt, die Anforderungen der DSGVO zu erfüllen. Sie ermöglicht es, externe Anfragen von Betroffenen und Behörden strukturiert und intuitiv zu beantworten und kann flexibel an die Struktur und Größe des jeweiligen Unternehmens angepasst werden. Caralegal bietet eine Vielzahl von Funktionen zur Dokumentation von Verarbeitungstätigkeiten, Datenschutz-Folgenabschätzungen, Dienstleistermanagement und technischen sowie organisatorischen Maßnahmen. Besonderer Wert wird auf Benutzerfreundlichkeit gelegt, sodass auch die Fachabteilungen im Unternehmen problemlos mit der Software arbeiten können.
Fazit
Der Rechtsmarkt bietet bereits eine Vielzahl an Legal-Tech-Tools. Drei besonders beeindruckende Beispiele wurden in diesem Beitrag vorgestellt. Obwohl die Tools noch nicht das volle Potenzial ausgeschöpft haben, können sie bereits jetzt viele Arbeitsschritte effizienter gestalten – und das in einer Vielzahl von Bereichen und auf unterschiedliche Weise. Die weitere Entwicklung dieser Technologien bleibt spannend.
Legal Tech muss dazu beitragen, Probleme in der juristischen Arbeit zu lösen, Prozesse effizienter zu gestalten und Arbeitsschritte zu vereinfachen. Neue Produkte sollten daher gezielt Ansatzpunkte identifizieren, die diese Ziele unterstützen. Bereits bestehende Legal-Tech-Tools müssen sich breiter aufstellen, z.B. eine größere Datengrundlage für Recherchevorgänge schaffen – gerade in dieser Hinsicht sind general-purpose-Anwendungen den Legal-Tech-Tools (noch) überlegen.
Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Speakern sowie bei unserer Partnerkanzlei Lutz | Abel für den gelungenen und bereichernden Abend.
Ãœber den Autor
Albert Hans Möller (albert.moeller@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Vorstand bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Ãœber den Redakteur
Luis Hettrich (luis.hettrich@ml-tech.org) ist ehrenamtlich als Chief Editor bei MLTech tätig und studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Allgemeine Anregungen oder Anfragen zum Blog gerne an: blog@ml-tech.org.