Get to know Christian Grohganz!

Von

Elisa Su

Allgemein-Get To Know-Legal Tech

Worauf arbeiten Sie mit weltfern hin – was ist Ihre Vision für Legal Tech?

Da muss ich gleich bei der ersten Frage ein wenig ausholen: Mit weltfern sind wir auf den High-Technologie-Software-Bereich spezialisiert, d.h. wir machen Software, (Anwendungen und sogar Spiele) für Unternehmen wie Adidas oder ThyssenKrupp. Dabei liegt der Fokus auf 3D, Web 3.0 & Social Media meistens in Verbindung mit Virtual Reality, Augmented Reality oder künstlicher Intelligenz.

Dass wir uns auf Legal Tech noch dazu spezialisiert haben, ist vor allem meiner Person geschuldet. Als ausgebildeter Jurist entschied ich mich nach dem Referendariat, nicht den klassischen Karriere-(Rechts-)Weg zu gehen, sondern meiner großen Liebe der Technologie meine Zeit zu widmen (tatsächlich hatte ich mit 20 Jahren bereits mein erstes Tech-Startup gegründet und immer wieder Startups betrieben z. B. auch während des Referendariats). Durch einen Kunden kam ich auf die Cookiebanner-Problematik (der BGH entschied darüber 2019 bzw. 2020), ich besprach das mit unserem Team. Das Problem war technisch optimierbar – sodass wir das doch eigentlich mit unserem Erfahrungsstand sehr leicht umsetzen könnten. Es dauerte nicht lange und unser erstes Produkt im Legal-Tech-Bereich ‚Cookieweb‘ war geboren.

Danach setzten wir uns an die nächste Idee (angestoßen durch eine unserer tollen Kooperationspartnerinnen): die Vertrags- bzw. Dokumentenautomation mit Clever Contracts. Bei weltfern ist es uns wichtig, den Menschen mit der Technologie zu verbinden, d. h. ein ausgeklügeltes UX / UI Design mit einem User-Interface, dass die Bearbeitung so angenehm wie möglich macht. Und im Kern geht es natürlich darum, den Usern die Arbeit wiederum so leicht wie möglich zu machen. Gerade die Vertragserstellung ist, man kann das schon so sagen, denke ich, oftmals eine repetitive Arbeit. Wenn man Software hat, die „mitdenkt“ erleichtert das ganz viele Arbeitsschritte. Und damit spart man letztendlich Zeit, die man auch für wichtige Denkprozesse einsetzen kann.

Das ist auch unser Anspruch für unsere gesamten und kommenden Legal-Tech-Umsetzungen: Juristen mit Technik zusammenzubringen und den Weg freischaufeln für einen effizienteren und damit menschlich-intelligenteren Workflow. 

Was muss passieren damit dieses Ziel erreicht wird und welche Herausforderungen bringt das mit sich?

Da ich in beiden Welten lebe bzw. „aufgewachsen“ bin, weiß ich, wie weit weg die Juristerei, aber auch die Verwaltung oder tatsächlich ebenso viele Firmen sind, wenn es darum geht, digitale Rechtsumsetzungen zu betreiben. Ich glaube, ich werde fast niemanden mit der Aussage auf die Füße treten, dass viele Juristen, Notare, Steuerberater und Verwaltungsmitarbeiter eher konservativ eingestellt sind, was ihren Berufsstand betrifft. Somit gibt es auch eine große menschliche Komponente, also Personen und die Menschen in Organisationen, davon zu überzeugen, dass etwas Neues, Digitales einen großen Mehrwert bieten kann.

Auf der technischen Seite kommt es natürlich vor allem auch darauf an, den passgenauen Nutzwert für die angesprochenen User zu finden. Deshalb haben wir uns auch aktuell auf Verträge konzentriert – viele arbeiten da noch mit Word-Dokumenten wie in den 90ern des vorherigen Jahrhunderts.

Wir haben natürlich noch viele weiteren Ideen, die wir im Bereich Legal Tech umsetzen wollen, aber wir wissen aus der teils jahrzehntelangen Erfahrung, dass es gute Ideen alleine nicht bringen, wenn sie nicht mit der Wirklichkeit korrespondieren. Und wenn man die (potenziellen) Nutzer, also die Zielgruppe fragt, hört man tausend Antworten, was jeder Einzelne gerne möchte, was sich aber bedingt zu einem (brauchbaren) Gesamtbild zusammenfügen lässt. Deshalb ist die schrittweise Herangehensweise oftmals von großem Vorteil.

Gerade im Legal-Tech-Bereich macht es deshalb Sinn, sogenannte MVPs (Most Valuable Products) zu entwickeln, also Software oder Apps, die sehr rudimentär aufgebaut sind, aber die das eigentliche Problem in ihrer Grund-Software-Fassade lösen können. Wenn dieses Grundprinzip bei ausgewählten Nutzern der Zielgruppe funktioniert, dann ist man auf einem sehr guten Weg. Dann geht es in die Details der Umsetzung. Und das immer zusammen mit Menschen, die die potenzielle Zielgruppe abbilden könnten.

Wie relevant ist für dich im Arbeitsalltag die Schnittstelle zum Recht und wie sehr die zur Technik?

Während des Studiums und des Referendariats hatte ich immer ein wenig das Gefühl, dass die Ausbildung in einigen Punkten am heutigen Leben vorbeiging. Ich kann mich noch an einen Fall in der praktischen Ausbildung erinnern, heute würde man sagen „Hate Speech“ in den sozialen Medien, wo man nichts unternehmen konnte, weil niemand auch nur im Ansatz auf dem Stand der Technik war.

Da ich selbst aber mit großer Leidenschaft alles Neue und digitale in mich aufsog, war es schon im Referendariat ein Ansporn für mich, Recht und Technologie zu vereinen. Ich musste mich allerdings erst einmal vom Rechtswesen entfernen, um danach mit neuem Blick zurückzukehren.

Für mich persönlich spielt das Recht oft eine Rolle, aber eher eine sekundäre. In meiner Karriere entschied ich mich ja bewusst für eine „nicht-rechtliche“ Richtung – aber im Management, in dem ich in fast allen meinen Positionen arbeitete bzw. arbeite, benötige ich immer Rechtskenntnisse. Das ist das Schöne am Studium, man hat auch wirklich praktisches Wissen erworben und kann das anwenden. Sei es in der Vertragserstellung, beim Arbeitsrecht oder auch beim Schuldrecht.

Technologie selbst ist eine sehr große Leidenschaft, aber ich habe das Glück, das ich im Arbeitsalltag damit sehr viel konfrontiert bin. Als Ausgleich ist es im Privatleben dann wiederum schön, sich komplett sich auf das Gegenteil einzulassen, also zurück zur Natur. Beim Zelten und surfen schafft man dann wiederum neue Perspektive, Eindrücke und Einsichten. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich selbst beim Campen nicht auf Laptop, Smartphone oder VR-Headset verzichten würde.

Das Team von weltfern scheint sehr männerlastig zu sein. Inwiefern ist die Branche noch eine Männerdomäne?


Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir nur eine Frau im Hamburger Team, das stimmt. Tatsächlich lag der Anteil aber auch schon bei über 60 %. Jedoch fördern wir auch Weiterbildungsmaßnahmen und somit sind einige (weibliche) Talente momentan noch in der (zusätzlichen) universitären Ausbildung aber werden bestimmt bald wieder zu uns stoßen. Und dann die Statistik wieder in die andere Richtung drücken. Insbesondere im Entwicklungsbereich sind wir da sehr stolz, einige weibliche Talente fördern zu können.

Insgesamt stimmt es, die Tech-Branche war lange sehr männerlastig – und ist es generell immer noch. Aber viele (vor allem) junge Frauen haben damit immer weniger Berührungsängste und setzen sich mit ihren Interessen und Talenten immer mehr in Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt durch. 

Tatsächlich wollten wir bei weltfern schon seit Firmengründung ganz bewusst einen Gegenpol setzten und branchentechnisch diesem Status quo entgegenwirken. Unsere erste Entwickler:in war z. B. auch eine (damalige) Praktikantin. Das gilt aber nicht nur geschlechtsspezifisch – wir fördern auch die Internationalität unseres Teams. Oder auch Bewerber, die einen „Nicht-klassischen“ Karriereweg gegangen sind und bei anderen Firmen vermutlich schon wegen ihres Lebenslaufs durchs Raster fallen würden. weltfern Mitarbeiter:innen kommen aus Taiwan, China, Südkorea, Frankreich, Eritrea, Bulgarien, haben indonesische Wurzeln  – oder auch direkt aus Hamburg. Aber man sagt ja auch, dass in Hamburg das Tor zur Welt läge …

Generell glauben wir fest daran, dass Diversität Teams (und damit auch die Firmen dahinter) stets voranbringt, weil jeder Mensch hat eigene, ganz spezifisch ausgeprägte Stärken und Fähigkeiten – diese verschiedenen Ansätze und Möglichkeiten zu Mischen sorgt meistens für eine positive energetische Mischung, die alle vorankommen lässt. Und den zwischenmenschlichen Austausch macht es natürlich auch viel bunter und interessanter, wenn nicht alle den gleichen Hintergrund oder auch die gleiche Meinung haben. Dadurch können alle voneinander lernen und neue Perspektive schaffen. Nicht nur für die Arbeit, sondern auch für den eigenen Horizont. Das sehen wir auch als „weltfern“ an – thinking out of the box.

Wie wird VR unsere Firmen- und Meeting-Kulturen verändern? Ciao 12-Stunden-Bürotage und Dienstreise?

VR (und auch AR) werden nicht nur unsere Firmen- und Meetingkultur ändern, tatsächlich werden diese Technologien unser ganzes Leben verändern – Vorläufer dieser Veränderung erkennt man an den aktuellen Plänen zum sogenannten Metaverse, die vom ehemaligen Facebook-Konzern (jetzt Meta) massiv vorangetrieben werden.

Man kann sich das insoweit vorstellen, dass unsere Soziale-Medien-Nutzung sich mit unserer Smartphonenutzung verschmelzt und das auch noch innerhalb des Bildschirms. Und nicht mehr nur davor.

Eines unserer ersten Projekte war auch eine VR / AR Meetingssoftware, die dafür sorgen sollte, dass man nicht mehr nur mit Autos oder Flugzeugen zu 1-stündigen Meetings anreist, sondern die Zeit und die Ressourcen spart – da man sich ja virtuell genauso begegnen und miteinander sprechen kann (die menschliche Komponente ist gleichwohl das Wichtigste – deshalb fühlt sich der Videochat auch nicht so „gut“ an wie ein echtes Treffen).

Allerdings hat da bereits der Covid-Ausbruch anderweitig für ein Umdenken gesorgt. Aber natürlich wird das auch der nächste Schritt in der Geschäftswelt (und auch im Privaten) sein, dass wir immer mehr unsere digitalen Aktivitäten in virtuelle Welten verlagern. Wenn man das Thema Umweltschutz mit einfließen lässt, ist das eine sehr gute Entwicklung – denn das bietet uns noch weitere bessere Möglichkeiten als die, die momentan allgemein in der Breite genutzt werden.

Was den Legal-Tech-Bereich betrifft, da sind wir noch ein wenig von solchen Veränderungen entfernt – da geht es noch um den „klassischen“ digitalen Wandel.

Was sind Chancen und Möglichkeiten von Augmented Reality, die vielleicht zu oft übersehen werden?

Es gibt ja immer ein wenig den Glaubensstreit, ob VR oder AR das einflussreichere Medium sein wird – Mark Zuckerberg hat mit der Umbenennung von Facebook zu Meta und dem sogenannten Metaverse die Richtung bezüglich der Wichtigkeit von VR vorgegeben (wobei auch hier AR eine gewichtige Rolle spielt).

Apple will wiederum vorrangig auf AR setzen, weil VR ein „asoziales“ Medium sei (so laut einer Aussage des CEO Tim Cook) – also im Sinne von „nicht-sozial“. Tatsächlich muss man sich nur vorstellen, was AR alles leisten kann – das, was wir momentan alles auf dem Smartphone nutzen (Kommunikation, Wissenserwerb, Navigation, Entertainment usw.), all das spielt sich nicht mehr in einem kleinen schwarzen Kasten, sondern direkt vor unseren Augen ab.

Wir werden nicht mehr auf Bildschirme starren müssen, sondern bekommen angezeigt, welchen Weg wir navigieren sollen. Allerdings wird uns dann auch Werbung nicht mehr nur auf dem Plakat oder dem Screen, sondern auch vor unseren Augen gezeigt.

Das sind alles Dinge, die Menschen auch Angst machen können. Aber das war vor den Smartphones, dem Internet und dem Heim-Computer auch bereits so, dass man sich schwer vorstellen konnte, immer Mails zu erhalten, immer online zu sein, immer telefonisch erreichbar zu sein oder überhaupt alles Digitale in das eigene Leben zu integrieren.

Bei weltfern wollen wir jedoch immer Positives mit Technologie schaffen. Schöne Beispiele sind dafür bei VR ein Projekt mit der Hochschule für Gestaltung Offenbach bzw. Goethe Universität, wo man mittels VR Forschungsstudien (Mobilität und psychologische Einflüsse auf den Menschen) in der virtuellen Realität bzw. WebXR erheben kann (https://www.weltfern.com/project/cognition-design). Gerade in Zeiten einer global wütenden Pandemie, ermöglicht das neue Möglichkeiten für die Forschung. Oder im Bereich AR für die RWTH Aachen, wo in der Produktion mittels AR in vielen verschiedenen Symbolen oder Sprachen die Anleitung für Arbeiter aufgezeigt werden kann – etwas das vielen Menschen weltweit in Herstellung oder Produktion zugutekommen kann (https://www.weltfern.com/project/machinelearning).

Generell sehen wir die Zukunft als etwas Positives, etwas, das man gestalten kann, um das Leben der Menschen und das gesamte Leben auf dem Planeten besser machen kann. Und das wollen wir ganz ‚weltfern‘ mit neugierigem, wachem und stets enthusiastischen Blick angehen.



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